Marco Polo – Architektur in ‚Il Milione’?
Auf dem Bild Guardis sieht man die Gegend um den heutigen Bahnhof, also den ersten Eindruck, den die meisten Besucher von Venedig bekommen. Doch Venedig war in der Geschichte nicht nur Ziel, sondern auch Ausgangspunkt vieler Reisen.
Im 13. Jahrhundert fand die wohl bekannteste Reise von Venedig aus statt: die des Marco Polo. Der erst Siebzehnjährige machte sich mit seinem Vater und seinem Onkel auf, die Welt zu erforschen. Diese Abenteuer und sogenannten ‚Beschreibungen der Welt’ diktierte er in späterer Gefangenschaft einem Mithäftling und so wurden die heute viel diskutierten bzw. umstrittenen Informationen der Nachwelt erhalten.
Doch welche Rolle spielt Architektur in ‚Il Milione’ und wie wird sie beschrieben? Der 234 Kapitel umfassende Reisebericht erwähnt Bauwerke nur sehr selten und (wenn) periphär. So schreibt Marco Polo über den Palast des mongolischen Herrschers Kublai Khan "Das Dach ist solid und hält jahrelang dicht" oder "... Die Zelte sind vollkommen dicht, weder bei Wind noch bei Regen leiden sie Schaden. Innen sind sie mit Hermelin und Zobel ausgekleidet,…“ Die darauffolgenden Beschreibungen beziehen sich nur mehr auf die luxuriöse Ausstattung, nicht mehr auf das Bauwerk als solches.
Für einen architekturinteressierten Menschen sind diese Berichte also äußerst unbefriedigend. Doch sie werden von den bildhaften Darstellungen übertroffen, die versuchen aus den wenigen Informationen ihre Schlüsse zu ziehen und so einen vollkommen falschen Eindruck vermitteln. So kann zum Beispiel das Zelt des Kublai Khan nicht wirklich als solches erkannt werden, da man sich damals einfach nicht vorstellen konnte, dass ein Herrscher in einem Zelt residiert. Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Menschen das damals nicht wussten. Daher prägten diese vollkommen entfremdeten Darstellungen die Vorstellungen der einfachen Leute von der Welt, da sie oft die einzige Informationsquelle über entfernte Länder waren.
Abbildung:
Kublai Khan Zelt, Vorlesungsunterlagen
Quelle:
Vorlesung ‚Die Entdeckung einer neuen Welt’ aus der Ringvorlesung ‚Geschichte der Architekturkritik’.