Perspektive
In der Zentralperspektive werden raumparallele Kanten nicht abbildungsparallel dargestellt, sondern vereinigen sich in einem scheinbaren Punkt, dem sog. Fluchtpunkt. Die einfachste Form der Perspektive bildet die Zentralperspektive mit einem Fluchtpunkt.
Die dem Betrachter zugewandten Flächen des Objektes sind bildparallel, während die in die Tiefe des Raumes führenden Raumkanten sich scheinbar in einem Fluchtpunkt am Horizont vereinigen.
In der Ansicht des Canale Grande zieht Francesco Guardi mit einem Weitwinkeleffekt die Ufer mit ihren Häuserzeilen auseinander, so dass die in extrem flachem Winkel aufeinander zustrebenden Kanalufer eine enorme Tiefenflucht bewirken, ohne dabei eine präzisen Fluchtpunkt auszubilden. Es entsteht der Eindruck einer Froschaugenoptik, in der sich alle fluchtenden Linien zu krümmen beginnen, die Häuserzeilen etwas wegkippen und aus einem geraden Abschnitt der Wasserstraße ein in sich geschlossenes Kleinpanorama Venedigs wird.
Perspektivische Verfahren zur Darstellung oder Abbildung räumlicher Situationen waren bereits den Römern bekannt. In Pompeji wurden Wandfresken gefunden, die den Raum in einen gemalten Garten fortsetzen sollten. In den darauf folgenden Jahrhunderten wurde dieses Wissen nicht weiterentwickelt - die frühchristliche und mittelalterliche Malerei bediente sich fast ausschließlich der Bedeutungsperspektive, d.h. die Größe der dargestellten Personen und Gegenstände wurde nicht durch ihre räumliche Anordnung, sondern durch deren Bedeutung im Bild bestimmt.
Die (Wieder)Entdeckung der Zentralperspektive bezeichnet den Beginn der Frührenaissance – und korreliert mit der Wiederentdeckung der antiken Formenwelt. Federführende Künstlerpersönlichkeiten waren etwa Filippo Brunelleschi (1377-1446), Tommaso Cassai, genannt Masaccio (1401-1428) und Leon Battista Alberti (1404-1472).
Anfänglich wurde die Zentralperspektive, die unser Auge produziert, in ihren Gesetzmäßigkeiten nicht erkannt, und die Darstellung erfolgte mittels einer Schnur, die, von einem festen Punkt ausgehend, über ein einfaches Raster in Form eines Drahtgitters zu den abzubildenden Objekten gespannt wurde. Der Zeichner saß neben dem Gitter und übertrug die Messungen in das Raster seiner Zeichenfläche („perspektivisches Abschnüren“).
In seinem Buch Die Malkunst (De Pictura) aus den Jahren 1435/1436 erläutert Leon Battista Alberti die mathematischen Methoden, mit denen auf Gemälden eine perspektivische Wirkung zu erzielen sei. 1525 erschien als erste Zusammenfassung der mathematisch-geometrischen Verfahren der Zentralperspektive Albrecht Dürers Buch Vnderweysung der messung mit dem zirckel vnd richtscheyt.