Das Andere im Museum
Der Canale Grande mit San Simeone Piccolo kann in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste besichtigt werden, die als öffentliche Sammlung die klassischen Aufgaben von Sammeln, Bewahren und Zugänglich Machen erfüllt. Gleichzeitig sind Sammlungen und Museen aber auch Vermittlungsorte kultureller Differenz, in deren Ausstellungspraxis deutlich wird, wie wir anderen Kulturen begegnen.
Um 1870 entstehen die ersten ethnografischen Museen und mit ihnen das „Collecting of Cultures“. Heute unvorstellbar sind uns die Völkerschauen, bei denen Menschen als Ausstellungsobjekte präsentiert wurden. Zur Schau gestellt wird aber nicht nur schwarze Haut, sondern alles, was dazu geeignet ist Andersartigkeit zu belegen, alles was kurios, fremd und dadurch interessant erscheint – Masken, Musikinstrumente, Schmuck, Kleidung etc. Die aus ihrem Kontext herausgerissenen Objekte zeugen selten von einem Versuch des Verständnisses, vielmehr dienen sie der Legitimation europäischer Herrschaft über die Kolonien, indem sie abwertend behandelt werden und die Minderwertigkeit der einheimischen Bevölkerung belegen sollen. So ist auch der Kunstbetrieb maßgeblich am Rassismus beteiligt.
Mehr als über andere Kulturen erfährt man in den Völkerschauen über die Sammler selbst. Beispielsweise werden Skulpturen afrikanischer Kulturen in eine mythische Vergangenheit versetzt, um europäische Wissenschaft, insbesondere die Evolutionstheorie, zu beweisen. Die Vergangenheit der imperialen Macht ist die Gegenwart der besiegten Völker, da wo die Europäer schon mal waren, sind diese Völker jetzt. Dabei wird räumliche Entfernung mit zeitlicher Distanz gleichgesetzt. Diese Betrachtungsweise erklärt auch die Suche nach dem Authentischen, dem echten Kultobjekt, die den Ethnologen der Moderne kennzeichnet. Sein Blick ist so sehr von Projektion gekennzeichnet, dass er tatsächliche Differenzen und Machtkonstellationen zwischen den Kolonialmächten und den Kolonien nicht mehr sieht. Stattdessen ist er bemüht, SEINE Kultur, die er in anderen Kulturen sieht, vor dem Aussterben zu bewahren, das Ursprüngliche, Unverdorbene, Naturverbundene vor den Einflüssen der Gegenwart zu beschützen.
Die Vorlesung „Postcolonial Studies“ an der Akademie der bildenden Künste Wien beschäftigt sich mit der Dekonstruktion solcher musealen Praxen.