„Acqua alta“ in Venedig
Wird die Lagunenstadt untergehen?
Venedig wurde im fünften Jahrhundert in einer Lagune gegründet. Die Häuser und Paläste sind auf 118 Inseln erbaut, die durch über 400 Brücken verbunden sind. Im Mittelalter erlebte die Stadt einen gigantischen Aufschwung zum mächtigen Handelszentrum.
Der ungeheuere Reichtum der einflussreichen Seerepublik lässt sich noch heute aufgrund der prunkvollen Architektur der meisten Gebäude erahnen. Doch die kunstvollen Bauwerke scheinen dem Untergang geweiht. Schon seit dem Mittelalter mussten die VenezianerInnen mit regelmäßig wiederkehrendem Hochwasser kämpfen. Das langsame Ansteigen des Meeresspiegels lässt den Lagunenboden tiefer im Meer versinken. In den letzten hundert Jahren stieg das Wasser um 23 Zentimeter.
Besonders im Herbst und Winter kommt es in Venedig häufig zu Hochwasser. Als erstes wird der niedrig gelegene Markusplatz überflutet. "Acqua alta" (Hochwasser) kann von den meteorologischen Beobachtungszentren ungefähr 24 Stunden vorher angekündigt werden. Im Kampf gegen den steigenden Wasserspiegel werden Gehwege seit Jahrhunderten schichtweise erhöht. Durch das gewaltige Gewicht der Bauwerke gibt langsam der sandige Untergrund nach.
Um Venedig künftig vor Überflutungen zu schützen, plant ein internationales Expertenteam gewaltige Sperranlagen. Sie sollen die Lagune im Notfall vollständig vom Mittelmeer trennen. Als einzige technisch umsetzbare Möglichkeit, Venedig vor Überschwemmungen zu bewahren, bleibt nach Meinung von Spezialisten, die Stadt bei drohendem Hochwasser vom Meer zu separieren. Dies soll durch eine Reihe von Barrieren bewirkt werden.
Das System besteht aus 78 beweglichen Modulen, jedes 20 Meter hoch und bis zu 28 Meter breit. Sobald sich eine Flut von mehr als einem Meter Höchststand ankündigt, sollen die Module das Einströmen der Adria in die Lagune verhindern. Im Normalfall liegen die versenkbaren Elemente mit Wasser gefüllt in befestigten Aussparungen auf dem Grund der drei Lagunen-Einfahrten. Sie können mit Pressluft binnen einer Stunde geleert werden, wodurch sie sich aufrichten und den Adriawellen den Zugang zur Lagune versperren. Die Bauarbeiten werden voraussichtlich im Jahr 2011 abgeschlossen sein.
ÖkologInnen warnen allerdings vor einer Vergiftung der Lagune. Bei häufigem Schließen der Barrieren könnten die stark belasteten Abwässer aus der Industrie ihre toxische Last im Schlick der Lagune ablagern. Normalerweise sorgt der Wechsel zwischen Ebbe und Flut viermal am Tag für den lebenswichtigen Wasseraustausch. Das frische Meerwasser bringt Sauerstoff für die Fauna hinter die Sandbänke. In der ohnehin verschmutzten Lagune würde ein geringeres Einströmen der Adria das baldige Ende vieler Tier- und Pflanzenarten zur Folge haben.