Das kulturelle Venedig zur Zeit Guardis
Das Venedig des 18. Jahrhunderts war ein Tummelplatz für Spieler und Gaukler, Tagediebe und Wichtigtuer. In der Gestalt Casanovas wusste es aber selbst darin noch grandezza zu bewahren. Der Karneval beschäftigte die Gemüter mehr als die große Politik, in der die Stadt ohnehin nicht mehr viel zu sagen hatte. Immerhin öffnete sich dadurch ein neuer Markt: Venedig bot sich selbst als Schaustück und Handelsgut an.
Zu Anfang des 18. Jahrhunderts strömten bereits 30.000 Fremde in die Stadt, um das Spektakel des Karnevals zu erleben – eine nicht unerhebliche Einnahmequelle. Auch das gebildete Europa entdeckte die Stadt und ihre Kunstschätze, ihr Besuch gehörte schon bald zum klassischen Bildungsprogramm des Italienreisenden. Venedig selbst gebar noch im Dämmerlicht des Untergangs Künstler von Rang und Namen: auf dem Gebiet der Malerei waren es neben Francesco Guardi (1712-1793) und Canaletto (1697-1768) auch Giovanni Battista Piazzetta (1683-1754) und Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770). Im Bereich der Oper war Antonio Lotti (1665-1740) federführend. Und als Komödiendichter beherrschten die Kontrahenten Carlo Goldoni (1707-1793) und Carlo Gozzi (1720-1806) die Theaterszene.
Die venezianische Architekturszene des 18. Jahrhunderts könnte zum großen Teil als eine Geschichte der Dynastien der Architekten und Konstrukteure, die in der Stadt tätig waren, beschrieben werden. So hatte auch Giovanni Scalfurotto, der die Kirche San Simeone Piccolo entwarf, zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen zu seinen Berufskollegen. Er war der Schwiegersohn des Domenico Rossi (1659-1715), des Architekten der Kirche die Gesuiti und heiratete nach dem Tode seiner ersten Frau die Tochter des Andrea Tirali (1657-1737), der unterer anderem den Pronaos der Theatinerkirche entworfen hatte. Sein Neffe und Schüler war Tommaso Temanza (1705-1789), der die Pläne für die Kirche della Maddalena ausarbeitete, die als der architektonische Ausdruck für das kulturelle Klima in Venedig beim Anbruch der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bezeichnet werden kann.
Literatur:
Ennio Concina: Kirchen in Venedig.1996.
Thorsten Droste, Venedig – Die Stadt in der Lagune. Köln 20052.