Canal Grande mit S. Simeone Piccolo - Bildbeschreibung
Francesco Guardi wählte als Bildmotiv eine Stadtansicht von Venedig. Das Gemälde zeigt den oberen Abschnitt des Wasserlaufes des Canal Grandes mit der beherrschenden Kuppel von San Simeone. Das linke Ufer zeigt die heute vom Bahnhof verdrängte Kirche Santa Lucia. Das Gemälde wurde vom Künstler nicht datiert, dürfte aber – aufgrund stilistischer Vergleiche - in der Spätzeit, also etwa um 1780 entstanden sein. Auf dem breiten Strom sind viele Gondoliere auf ihren Booten dargestellt, sie transportieren Personen oder Frachtgut.
Das Bildmotiv ist entgegen vielen früheren Ansichten des Malers Francesco Guardi nicht mehr ein hervorragendes Objekt, nicht mehr ein eng umschriebener Raum, sondern ein beinahe beiläufig wirkender Ausschnitt aus einer Stadtlandschaft. Es dominiert kein Einzelgebäude, kein Blickfänger bestimmt die Komposition. Das Gemälde zeigt kein bestimmtes oder besonderes Ereignis, es zeigt hingegen einen Stadtteil Venedigs in seiner geschäftlichen Alltäglichkeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
In der Art der Darstellung wählte der Maler eine Art Weitwinkeleffekt mit dem er die Ufer mit ihren Häuserzeilen auseinander zieht, so dass die in extrem flachem Winkel aufeinander zustrebenden Kanalufer eine enorme Tiefenflucht bewirken, ohne dabei einen präzisen Fluchtpunkt auszubilden. So entsteht der Eindruck einer Froschaugenoptik, in der sich alle fluchtenden Linien zu krümmen beginnen, die Häuserzeilen etwas wegkippen und aus einem geraden Abschnitt der Wasserstraße ein in sich geschlossenes Kleinpanorama Venedigs wird.
Eine Besonderheit dieses Gemäldes liegt darin, dass als Bildträger ein fertig ausgeführtes religiöses Historienbild im Stil der frühen „Werkstattbilder“ der Brüder Guardi herangezogen wurde. Als frühes Beispiel für Materialrecycling wurde ein vollendetes Gemälde wieder verwendet und gänzlich mit einem vollkommen anderen Motiv übermalt. Mit Hilfe der Röntgenstrahlen kann das darunter liegende Bild, eine Anbetung der Hirten, sichtbar gemacht werden (FOTO). Die Szene zeigt einen Stall, ins Zentrum gerückt sitzt die Madonna mit dem Kind im Schoß. Rechts hinter ihr hält sich der hl. Josef, deutlich erkennbar an seinem Nimbus, an einem Dachsparren fest. Erkennbar ist auch der Kopf des Ochsen, Engelsköpfchen schweben über der Szene und links hinter den herbeieilenden und anbetend knienden Hirten sind zwei stehende Gestalten sichtbar, diese sind wahrscheinlich Stifterbildnisse.
Literatur:
Renate Trnek: Die Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste in Wien. Wien-Köln-Weimar 1997.
Heribert Hutter: Francesco Guardi in der Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Wien 1967.