Spiegelung und Architektur

In der Wasseroberfläche des Canal Grande spiegelt sich seine Umgebung und so werden Gondeln verdoppelt und Häuser in die Länge gezogen. In der Architektur machte man sich diesen Effekt zu nutze und so taucht in der Architekturgeschichte Spiegelung immer wieder und in ganz unterschiedlichen Facetten auf.
Unter anderem im Barock ordnete man vor wichtigen Gebäuden gerne Wasserflächen an, zum einen, um die Achsen zu verstärken, wie auch beim Taj Mahal, zum anderen um die Schlösser und Burgen noch imposanter zu machen.

Dabei ergibt sich ein interessanter Effekt: Heute ist es technisch möglich, ein Gebäude zu erbauen, das zu schweben scheint, sei es durch Auskragungen oder verglaste Erdgeschoßzonen, wie wir sie in der Wiener Innenstadt oft sehen können. Doch durch den Spiegelungstrick konnte man schon damals die Schwerkraft vermeintlich aufheben und die Bauten auf einen scheinbar luftigen Sockel – das Dach – stellen. Perfektioniert wurde das bei völlig vom kalten Nass umgebenen Wasserschlössern, doch auch in Venedig bedient man sich dieses Effektes, indem man die Schaufassaden zu den Kanälen hin orientiert.

Doch die Spiegelung wird auch ohne Hilfsmittel in der Architektur umgesetzt, nämlich in der Symmetrie. Viele Gebäude wurden und werden symmetrisch gebaut, ganze Epochen wurden von der Einhaltung oder Distanzierung der Symmetrie geprägt. Zum Gipfel hat es unter anderem Andrea Palladio mit seiner Villa Rotonda getrieben. Dieses Gebäude ist doppelsymmetrisch, was heißt, dass es aus vier völlig identischen Vierteln zusammengesetzt ist.

Mit der Möglichkeit große Glasflächen zu produzieren und der Erfindung der Verspiegelung von Gläsern zog eine weitere Facette der Spiegelung in die Architektur ein. Die früher so aufwendige Fassadengestaltung wich Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem bei Hochhäusern der vorgehängten Glasfassade. So entstanden Häuser, deren Identität davon lebt, ihre Umgebung zu spiegeln. Dazu gehören das Seagram Buildung in New York, aber auch die TwinTowers in Wien, die natürlich ob ihrer völlig unterschiedlichen Umgebung eine ganz andere Wirkung erzielen.

Abbildungen: 
Villa Rotonda, www.ac-nancy-metz.fr
Twin Towers, www.asadov.ru