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Mythos Seemann

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Der Hafen von Venedig war Ausgangspunkt langer Seefahrten. Da der Beruf des Matrosen ausschließlich Männern vorbehalten war, konnte es passieren, dass eine Schiffbesatzung wochenlang keiner einzigen Frau begegnete. Auf diese Weise konnte das Image des starken, schwer arbeitenden Mannes entstehen - fern von allen Eigenschaften, die wir Frauen zuschreiben. Vollständig ist dieses Bild aber erst mit dem verliebten Matrosenpaar, mittlerweile ein beliebtes Motiv in der schwulen Szene.

Im 18. Jahrhundert wird Homosexualität verstärkt von disziplinierenden Institutionen wie Schule, Krankenhaus oder Militär erfasst und pathologisiert. Der Geschlechtsakt zwischen Männern, der keine Fortpflanzungsfunktion erfüllt, wird als Krankheit definiert und soll möglichst effizient verhindert werden, während der Geschlechtsakt zwischen Frauen nicht einmal als existent wahrgenommen wird. Auch am Schiff ist man um Disziplin bemüht: Eine Vielzahl an Verboten und Regeln soll das einwandfreie Funktionieren der Seefahrt sicherstellen. Matrosen, die bei „unzüchtigen Handlungen“ erwischt werden, werden hart bestraft – manchmal sogar mit dem Tod.

Erst aus neueren Studien der Lesben- und Schwulenforschung ist bekannt, dass Homosexualität in gleichgeschlechtlichen Gruppen - wie etwa auf hoher See - eine doppelte Funktion erfüllt. Einerseits als abschreckendes Element, andererseits aber auch als sinnstiftendes Moment, durch das sich eine solche Gesellschaft erst konstituieren kann. Faszination und Abscheu sorgen für den Zusammenhalt der Matrosen. Homophobie und schwule Erotik fahren gleichermaßen mit.

Bis in die Gegenwart gibt es im institutionellen Bereich Verbote gleichgeschlechtlicher Liebe, beispielsweise in der „Don’t ask, don’t tell“ Politik des amerikanischen Militärs, das mittlerweile auch für Frauen zugänglich ist. Diese sind genauso wie Männer von jenem Gesetz betroffen, das Homosexualität zwar nicht direkt verbietet und sich damit vor dem Vorwurf verfassungswidriger Diskriminierung schützt), sehr wohl aber homosexuelle Handlungen unter Strafe stellt. Ein Paradoxon der besonderen Art.

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