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Karneval in Venedig und die Performanz des Geschlechts

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Der Karneval in Venedig war schon zu Zeiten Francesco Guardis eine beliebte Freizeitbeschäftigung des Adels. Nach der Eroberung der Stadt durch Napoleon wurde er verboten und erst in jüngster Vergangenheit wieder ins Leben gerufen. Die große Faszination des Karnevals liegt wahrscheinlich in den opulent gestalteten Masken und in der Möglichkeit,  sich zu verkleiden, in eine andere Rolle zu schlüpfen - vielleicht sogar in eine andere Geschlechterrolle.

Tatsächlich ist Geschlecht an sich eine Maskerade auf der Bühne des Alltags. Es gibt kein wahres oder falsches Geschlecht. Wir erzeugen mit unseren Verkleidungen die Illusion eines inneren Kerns- etwas das angeblich unumstößlich feststeht, in Wirklichkeit aber von uns produziert wird. In jeder Geste, in jeder Äußerung entscheiden wir uns tagtäglich dafür, ob wir uns entsprechend den gesellschaftlichen Regeln, die Männlichkeit und Weiblichkeit bestimmen, verhalten oder diese brechen wollen.

Wir haben eine Reihe von rituellen Inszenierungen geschaffen, die uns als Männer oder Frauen bestimmen. Ob es die Wahl eines Kleidungsstücks morgens vor dem Spiegel ist oder das „Ja“ vor dem Traualtar – immer wieder bestätigen und erneuern wir unsere Fixierung auf ein Geschlecht. Dadurch bleiben wir in der Zweigeschlechtlichkeit verhaftet. Sie ist das Fundament einer reproduktiven Heterosexualität, die Sexualität und Fortpflanzung miteinander verbindet und in einen klar abgesteckten Rahmen steckt.

Problematisch ist dabei, dass alle Formen von Sexualität, die dieser Norm nicht entsprechen, als Störungen empfunden werden. Damit wird jede Möglichkeit der sexuellen Vielfalt und einer produktiven Kritik des heterosexuellen Systems verhindert. Gerade das Ausbrechen aus der starren binären Struktur der Heterosexualität, könnte aber den Blick für eine Vielzahl von Geschlechtern und Familienmodellen öffnen, von denen wir vielleicht noch gar nichts ahnen.


Quelle: Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt am Main 1991.

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