Immaterielle Arbeit
Es ist ein langer Weg von Francesco Guardis Werkstatt der Malerei zu postfordistischen Formen der Arbeitsorganisation.
Der Fordismus, benannt nach dem Industriellen Henry Ford, bezeichnet das Verhältnis zwischen ArbeiterInnen und Wirtschaftstreibenden seit den 1920er Jahren. Die ArbeiterInnen stellen in lebenslanger Vollbeschäftigung ihre Arbeitskraft dem Kapital zur Verfügung und leben dafür gewerkschaftlich abgesichert in einem Sozialstaat mit seinen vielfältigen Vergütungen wie Kranken- und Pensionsversicherung. Dieses Modell wird in den 1970er Jahren vom Postfordismus abgelöst. Kennzeichnend hierfür ist der Begriff der immateriellen Arbeit.
Durch zunehmende Globalisierung und die damit verbundene Auslagerung von Warenproduktion in Dritte Welt Länder, kommt es zu einem gewaltigen Ausbau des Dienstleistungssektors in den Ländern der ersten kapitalistischen Welt. Information und Kommunikation sind von nun an unverzichtbarer Bestandteil der Arbeit, kulturelle und künstlerische Tätigkeiten erfahren einen gewaltigen Aufschwung. Immer mehr Menschen arbeiten in audio-visuellen Industrien, der Werbung, der Mode, der Fotografie. Sie verrichten Arbeiten, bei denen intellektuelle Fähigkeiten mit handwerklichem Geschick kombiniert werden.
Maurizio Lazzarato spricht von einem Phänomen der Massenintellektualität, das im herkömmlichen Raster von Klassenunterschieden nicht mehr genau eingeordnet werden kann. Die Gesellschaftsschicht der „Kreativen“ besteht einerseits aus Intellektuellen und Akademikern, die bis vor kurzem zweifelsfrei dem Bürgertum zugeordnet wurden, andererseits ist ihre Beschäftigung von Hyperausbeutung, hierarchischen Abhängigkeiten und ständiger Unsicherheit geprägt. Man organisiert sich in Projekten, die nur für die Dauer eines bestimmten Vorhabens existieren und sucht danach ein neues. Während dieser Zeit herrscht zumeist freie Arbeitszeit, die dazu führt, dass Leben und Arbeit in einem zusammenfallen.
Diese sogenannten prekären Beschäftigungsverhältnisse kennzeichnen in der Gegenwart auch den Beruf des/der KünstlerIn.
Toni Negri, Maurizio Lazzarato, Paolo Virno: Umherschweifende Produzenten, Immaterielle Arbeit und Subversion, Berlin 1998