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Gelehrige Körper

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Francesco Guardi erlernte das Handwerk der Malerei in einer Werkstatt. Zur gleichen Zeit entwickeln sich auch die ersten Manufakturen, die zusammen mit Schulen, Spitälern, Gefängnissen und Kasernen Orte einer im 18. Jahrhundert einsetzenden Disziplinierung sind.
Was bedeutet Disziplin? Auf den Körper wird ein detaillierter Zwang ausgeübt, alle Bewegungen, Gesten und Haltungen werden manipuliert und zurechtgerückt, um Effizienz der menschlichen Tätigkeiten zu steigern. Obwohl es schon vorher Methoden der Disziplinierung vor allem in Klöstern gegeben hat, erhält diese nun eine neue Größenordnung und wird zur neuen Herrschaftsform. Der Körper wird analysiert, zergliedert und wieder zusammengesetzt, damit er in den Techniken der Disziplinarinstitutionen wie eine geölte Maschine funktionieren kann.

Die Disziplin verteilt den Menschen im Raum, jedes Individuum erhält Platz, Rang und Funktion. Sie unterteilt die Zeit des Menschen, damit Rhythmus, Takt und Alltag sein Leben bestimmen. Klassenzimmer mit Schulbänken, die jedem/jeder SchülerIn einen Platz zuweisen sind ein Beispiel dafür, aber auch die Stationen in Krankenhäusern mit ihren Krankenzimmern, sowie die Schlafsääle in Kasernen. Sie alle sind Orte, an denen ein geregelter Tagesablauf stattfindet: Unterricht, medizinische Untersuchungen, Mahlzeiten, militärischen Übungen etc.
Die Disziplin organisiert, strukturiert und ist nicht zuletzt auch mit einem Überwachungsapparat verbunden. Ebenfalls im 18. Jahrhundert entstehen die ersten Gefängnisse in Form eines Panoptikums. Es handelt sich dabei um einen Rundbau, bei dem alle Gefängniszellen im Kreis rund um einen Kontrollturm angeordnet sind. Auf diese Weise hat der/die Inhaftierte vierundzwanzig Stunden am Tag das Gefühl überwacht zu werden. Die Gewissheit der ständigen Kontrolle ersetzt von nun an Bestrafungsmaßnahmen. Macht bestimmt nicht länger über den Tod des Menschen, sie hat direkten Zugriff auf sein Leben, sie formt nicht nur seinen Körper, sondern auch seinen Geist und seine Empfindungen.

Michel Foucault: Überwachen und Strafen, Frankfurt am Main, 1976

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