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Normal Love

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Francesco Guardi wurde 1764 von Pietro Longhi porträtiert. Mit Pinsel und Farbpalette ausgestattet ist er auf diesem Gemälde in seinem Beruf als Maler zu erkennen. Auf diese Art und Weise wurden im 18. Jahrhundert nur Adel und Bürgertum dargestellt, Menschen aus unteren Gesellschaftsschichten sind auf solchen Porträts nicht zu finden. Auch als im 19. Jahrhundert die Fotografie die Porträtmalerei ablöst, ändert sich an diesem Umstand nichts.
Umso besonderer erscheinen die Selbstdarstellungen der Hannah Cullwick, einem Dienstmädchen aus dem viktorianischen London. Sie produzierte neben ihrer harten Arbeit im Haushalt nicht nur zahlreiche Fotografien, sondern auch Tagebücher und Briefe. In ihren Selbstinszenierungen setzte sie sich bewusst über Hierarchien von Klasse, Geschlecht und Rasse hinweg.

Diese Inszenierungen waren Teil eines sadomasochistischen Verhältnisses, das Hannah Cullwick mit Arthur Munby, einem Mann des Bürgertums, unterhielt. Viele Elemente aus Cullwicks Arbeit finden sich in den SM-Szenen wieder, die die beiden nachspielten. Reale Machtverhältnisse wurden mit Begehren besetzt, wenn Cullwick stolz ihre Muskeln präsentierte oder in einer ironischen Überspitzung Munby ihren “massa” nannte und damit auf die koloniale Praxis Englands verwies.

In den Darstellungen Hannah Cullwicks wird nicht zuletzt deutlich wie eng verbunden das Feld der Arbeit mit Sexualität ist. In Arbeitsverhältnissen werden auch Fähigkeiten verlangt, die stark in die Subjektivität der Beschäftigten eingreifen. Diese sind immer vom Geschlecht abhängig und bewegen sich in Normen der Heterosexualität. So wird jede Arbeitsposition nicht nur mit der Funktion, sondern auch zumeist mit einem Geschlecht und einer bestimmten Sexualität verbunden.
Der Beruf der Hausangestellten ist mit der Erwartungshaltung verbunden, dass es sich dabei um eine heterosexuelle Frau handeln muss, die nicht nur ihre Arbeit verrichtet, sondern durch Attribute, die als weiblich kodiert sind, auch die sexuellen Phantasien eines männlichen Arbeitgebers bedient.
Denkt man hingegen an künstlerische Berufe ist man geneigt, sie heterosexuellen Männern zuzuordnen. Würde Francesco Guardis Porträt nicht der Ikonografie eines heterosexuellen Mannes entsprechen, sondern wäre mit sexuellen Zeichen der Homosexualität behaftet – würden wir ihn dann immer noch als Maler wahrnehmen oder als einen Schwulen, der hauptberuflich schwul ist und keinem Beruf zugeordnet, eben weil er diese Erwartungshaltungen nicht erfüllt?

www.normallove.de


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