Sind sie Männer oder Frauen?
Sind die Menschen, die auf dem Bild sichtbar sind, Männer oder Frauen? Wodurch entsteht Geschlecht und wie können wir so genau definieren, welchem Geschlecht jemand zugeordnet ist?
Die Grundlage der Aufteilung der Welt in zwei Geschlechter ist ein ursprünglicher Hermaphrodismus, eine doppelte Physiologie, die die männlichen und weiblichen Geschlechtsteile bereits in sich trägt. Penis und Vagina fungieren dabei als Positiv und Negativ, sie ergänzen einander, eine so definierte Vagina ist etwas, das einen Penis beim Koitus aufnehmen kann. Geschlechtsbestimmung eines Säuglings findet entsprechend diesem Modell nach Kriterien der Länge, Größe und äußeren Erscheinung eines Penis statt. Alle Körper mit einem Penis werden als männlich bestimmt, alle Körper, ohne ausreichend entwickelte äußere Geschlechtsteile werden als weiblich identifiziert. Geschlechtsbestimmung findet also vor allem im Bezug auf eine abstrakte Idee statt, im Zentrum der Zweigeschlechtlichkeit steht die Idee vom Phallus. Sexualität und Reproduktion sollen dabei strikt voneinander getrennt werden, indem Sexualität an den Penis und Reproduktion an den Uterus gebunden wird.
Man kann also behaupten, dass Heterosexualität ein Modell zur Etablierung des Phallozentrismus ist. Bereits Jaques Lacan behauptete aufgrund dieses Modells „La femme n’exist pas“ (die Frau existiert nicht). Sie wird erst durch den Penis definiert und existiert vorher nicht. Feministische Kritik baut darauf auf, dass es vor allem eine strukturelle Ungleichheit gibt - die Frau existiert eben doch, wird aber gesellschaftlich nicht berücksichtigt. Vertreterinnen des feministischen Differenzansatzes wie Luce Irigaray setzen sich dafür ein, das weibliche Geschlecht außerhalb des Systems von Penis/Vagina stärker auszuarbeiten, indem sie darauf hinweisen, dass auch Frauen ein äußeres Geschlechtsteil zur Produktion von Lust haben (eine Klitoris) und der Penis nur eine von vielen Möglichkeiten sexueller Praxis für eine Vagina ist. Eine radikalere Auffassung vertreten lesbische Theoretikerinnen wie Monique Wittig. Sie behauptet, Lesben seien keine Frauen – sie werden nicht von einem Penis penetriert und stehen somit außerhalb des Systems herkömmlicher Geschlechtsdefinition. Das fehlende Verständnis für diese Art der Geschlechtlichkeit führt bis heute zur Unsichtbarmachung und Unterrepräsentation von Lesben in allen gesellschaftlichen Bereichen.