Sex making
Wir können nicht erkennen, ob es sich bei den dargestellten Figuren auf dem Gemälde von Francesco Guardi um Männer oder Frauen handelt, ganz gewiss gehen wir aber nicht davon aus, dass es ein drittes Geschlecht geben könnte.
Geschlecht ist keine biologische Tatsache, die bei der Geburt leicht festzustellen wäre, vielmehr ist Zweigeschlechtlichkeit von Menschen konstruiert und soll lediglich „naturgegeben“ erscheinen. Bei einer bestimmten Anzahl von Neugeborenen funktioniert Geschlechtsbestimmung nach herkömmlichen Methoden nicht mehr. Wenn dies der Fall ist, spricht man von Intersexualität.
Um das System der Zweigeschlechtlichkeit aufrechtzuerhalten wird Intersexualität als die Ausnahme gehandelt, die die Regel bestätigt und als solche pathologisiert. Bereits an den Namen, die den Geschlechtsteilen gegeben werden, die in das Muster nicht hineinpassen, kann man die Orientierung an der Heterosexualität erkennen: Peno-Klitoris ist beispielsweise eine große Klitoris, die als Penis durchgehen könnte, Mikro-Penis ist ein Organ, das von der Medizin als viel zu kleiner Penis betrachtet wird.
Intersexualität ist immer mit gezielten medizinischen Eingriffen verbunden, eine lange Reihe von Operationen während der ganzen Kindheit und Pubertät begleitet den intersexuellen Menschen. In den meisten Fällen wird aus einem intersexuellen Körper ein weiblicher Körper geformt – so als ob das Fleisch das Material eines Bildhauers wäre, aus dem er eine Skulptur nach seiner Vorstellung formen könnte: eine Klitoris darf nicht zu groß sein, also wird sie verstümmelt, eine Vagina muss, wenn sie nicht vorhanden ist, neu geformt werden, Hormone müssen, wenn sie vom Körper unzureichend hergestellt werden, verabreicht werden.
Genauso schmerzhaft wie diese Metapher werden die Eingriffe auch von den Betroffenen selbst empfunden. Diese sind nicht zuletzt auch an ein Gebot des Schweigens gebunden, das von den Familien und den Medizinern gleichermaßen ausgeht. Weil Intersexualität von der gesellschaftlich gewünschten Norm abweicht, wird sie totgeschwiegen.
Durch Intersexualität wird nicht nur sichtbar, welche Bedeutung ein eindeutig definiertes Geschlecht für unsere Gesellschaft hat. Sie zeigt, dass jeder von uns auf einem imaginären Operationstisch analysiert und definiert wurde, geschlechtsbestimmende Chirurgie ist nichts anderes als der sekundäre Tisch, auf dem Körper erneut zerlegt und zusammengesetzt werden. Ihre Existenz beweist die Konstruiertheit von Geschlechtsidentität.