Performative Politik
Im Venedig des 18. Jahrhunderts ist die Performance als künstlerisches Ausdrucksmittel noch nicht bekannt. Noch bevor dieser Begriff Eingang in die Kunstwelt findet, kann man Ansätze des Performativen in der ersten Frauenrechtsbewegung um 1900 in Großbritannien und den USA erkennen.
Die so genannten Suffragetten sind vor allem Frauen aus dem Bürgertum, die für das Wahlrecht kämpfen. Sie agieren im öffentlichen Raum, um auf die Rechtlosigkeit der Frau aufmerksam zu machen. Demonstrationen, das damals verpönte Rauchen in der Öffentlichkeit, Hungerstreik oder das Anketten an den Buckingham Palace sind die Methoden der Suffragetten.
Eine solche politische Agitation bezieht den Körper sehr stark mit ein, sie wahrt nicht die Grenze dessen, was als „weiblicher Anstand“ gewertet wurde, sie durchbricht auch die herkömmlichen Definitionen von Bühne und Publikum. Die Suffragetten bringen scheinbar sinnlose, fiktive - und damit dem künstlerischen Feld zuzuordnende Handlungen - ins Reale, in den Alltag. Kunst ist ein Mittel der Intervention, des Eingriffs und nicht der distanzierten Kommunikation. Was bis dahin eindeutig Elemente des Theatralen und der bürgerlichen Unterhaltung waren, werden jetzt Mittel gezielter politischer Forderungen.
Bis in die Gegenwart ist Kunst auf diese Art und Weise mit politischer Agitation verbunden. Die VolxTheaterKarawane konnte in den letzten Jahren durch performative Handlungen im öffentlichen Raum auf sich aufmerksam machen, beispielsweise durch „gefakte“ PolizistInnen und U-No-SoldatInnen, die bei Demonstrationen ihre scheinbare Autorität präsentierten und damit auf die tatsächliche Machtausübung der Staatsgewalt verwiesen. So wie die Aktionen der Suffragetten oft mit Verhaftungen endeten, wurden auch die Mitglieder der VolxTheaterKarawane durch Gerichtsverfahren in ihre Schranken gewiesen. Dass Kunst immer im Rahmen der dafür vorgesehenen Räume stattfinden soll, ist damals wie heute ein beliebtes Argument, um politisches Engagement einzubremsen oder gar auszulöschen.