Der Orgasmus in der Maschine
Wir wissen es nicht, aber es wäre interessant zu erfahren, ob Francesco Guardis Frau an Hysterie litt, wird diese Krankheit doch von der Renaissance bis zur Moderne so vielen Frauen zugeschrieben. Der Ausdruck „hysteria“ bezeichnet wortwörtlich „Krankheit der Gebärmutter“ und betrifft dementsprechend nur Frauen. Melancholie, exzessives sexuelles Begehren, Frigidität und Orgasmusunfähigkeit sollen angeblich die Hysterie auslösen. Vor allem aber ist es männliche Ratlosigkeit über weibliche Sexualität, die diese Krankheit konstruiert.
Für die Heilung der Hysterie wird im 19. Jahrhundert ein Ensemble von Techniken erfunden. Beckenmassage und geeignete Manipulation der Klitoris mit dem Vibrator sind Methoden, mit denen der Orgasmus in einem weiblichen Körper in einem Minimum an Zeit mit einem Maximum an Wirkung ausgelöst werden soll. Nach und nach werden therapeutische Apparate zur Behandlung der Hysterie vom klinischen Bereich in den häuslichen transferiert. Der Körper der hysterischen Frau ist das Geschlecht einer launenhaften Maschine, die nicht auf die Stimuli heterosexueller Penetration reagiert und mit einem Apparat verbunden werden muss. Der Orgasmus existiert in der Maschine – die angeschlossene Frau ist eine Maschine, die genießt.
Paradoxerweise entstehen zur gleichen Zeit auch Objekte und Techniken, die die häuslichen sexuellen Praktiken kontrollieren sollen, um den masturbatorischen Orgasmus zu verhindern. Masturbation, so wie jeder nicht der Fortpflanzung dienende Geschlechtsverkehr ist ein unnützer Energieverlust und eine gesundheitsschädliche Verschwendung.
So ist die Produktion weiblicher sexueller Lust das Ergebnis zweier einander entgegen gesetzter Kräfte: der Unterdrückung der Masturbation und der Heilung der Hysterie. Der Orgasmus ist ein unerklärlicher Wahnsinn, der von den Kräften der Apparate unterdrückt werden muss und gleichzeitig das transparente Resultat der Arbeit mechanischer Maschinen. Animalität und Maschine – in beiden Fällen ist der Orgasmus etwas, das nicht der Frau gehört. Der weibliche Orgasmus, der nicht aufgrund äußerer Zeichen zu entdecken war, der aber auch keinen Fortpflanzungszwecken diente, durfte nicht weiblicher Diskretion überlassen werden. Man musste den Orgasmus technologisch mit den Geschlechtsteilen wieder verbinden, ihm eine Form und spezifische Eigenschaften geben.
Beatrice Preciado, Kontrasexuelles Manifest, Berlin 2003