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Das Spiegelstadium

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Die Spiegelung der Gondeln im Wasser auf Francesco Guardis Gemälde ist nicht nur für die bildende Kunst ein interessantes Phänomen, auch in der Psychoanalyse spielt die Spiegelung eine wichtige Rolle.

Das Spiegelstadium ist eine Entwicklungsstufe des Kindes, bei der das Kind das eigene Bild im Spiegel als solches identifizieren kann und damit das erste Mal sich selbst als Subjekt wahrnimmt. Die so genannte jouissance findet zwischen dem sechsten und dem achtzehnten Monat statt, also zu einer Zeit, in welcher der Säugling motorisch ohnmächtig und von Pflege abhängig ist. Trotzdem löst dieser Akt eine Reihe von Gesten beim Kind aus, die das Verhältnis zwischen der Innenwelt und der Außenwelt untersuchen. Diese Stadium in der Subjektwerdung bezeichnet Jacques Lacan, der den Begriff Spiegelstadium in der Psychoanalyse geprägt hat, als das Ideal-Ich, weil es sich vor jeder gesellschaftlichen Determinierung, also vor der Identifikation mit dem Anderen und vor der Ausformung der Sprache, konstituiert. Gleichzeitig ist die Subjektwerdung aber auch ein Drama, weil das erste Bild des Körpers ein zerstückeltes ist – im Spiegel kann der Körper nie vollständig wahrgenommen werden, der Mensch nimmt sich selbst also von Anfang an als partikular wahr.
Das Spiegelstadium hat Bedeutung für  jede Art der Bildproduktion, beispielsweise kann man sagen, dass Fotografie das Spiegelstadium nachahmt. Indem man sich selbst fotografiert, bestätigt man immer wieder die eigene Existenz, man erkennt sich selbst auf dem Foto und kann sich von der Umwelt unterscheiden.

Jacques Lacan, Schriften I, Berlin, 1996

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